Ein Mann und die Liebe
In dieser Woche stand Putzen bei mir auf dem Programm. Man glaubt es ja nicht, was in einer Studentenbude so alles rumliegen kann. Nachdem ich mich durch die ersten Pizzaschachteln zu meiner Kommode gekämpft hatte, musste ich erst einmal tief durchatmen. Mein Blick schlenderte über die Kommode, und meine Augen blieben an einem Bild meiner letzten verflossenen Liebe hängen: meiner „Anita." Ich schreibe ja nie über meine persönlichen Befindlichkeiten. Doch als mir die Tränen sturzbachartig über die Wangen kullerten, dachte ich mir: „Emilius, lass die Welt an deinem Schmerz teilhaben. Anita – die Frau, für die ich, wenn ich fliegen könnte, Sterne vom Himmel holen würde. Anita, deren Haare schwarz wie Nacht, deren Augen zwei Sterne, so klar, waren. Wieder einmal war ich in einer Beziehung gescheitert. Ja, es passiert sehr oft in meinem Leben (liebe Leser, haltet bitte kurz inne und teilt mit mir meinen Schmerz), doch dieses Mal wollte ich nichts – aber rein gar nichts dem Zufall überlassen. Kurz nach unserem Kennenlernen, das romantisch in einer Eisdiele begann, kippt mir mein Schokoladeneis direkt über ihre Bluse. Es war Liebe auf den ersten Blick. „Anita, mit dir zu träumen und danach mit einem weißen Schimmel in den Abendhimmel zu reiten – nichts Schöneres kann ich mir vorstellen.“ Wie von Amor geküsst stürmte ich voller Liebe weiter in die nächste Buchhandlung. Ich schnappte mir das Literaturmeisterwerk „Der Mann von heute, was die Frauen lieben." In einer Nacht verschlang ich den 654 Seiten starken Ratgeber für den Mustermann von heute. Ich liebte es, mit ihr gemeinsam stundenlang durch die City zu schoppen. Ebensooft konnte ich mich an ihren Kleidungsproben begeistern. Besonders schön fand ich es, „Mottotischdecken“ für jeden Anlass auszusuchen. Durch sie entdeckte ich meine Liebe zum Tee. Jeden Abend war es dasselbe Ritual, eine passende Teesorte zu unserer Abendbio-Kost auswählen. In dem Buch stand auch, dass es Frauen lieben, einen haarlosen Mann zu haben. Stundenlang stand ich morgens im Bad und rasiere mir Brust, Rücken (hatte etwas Yogahaftes) und Beine. Manchmal sah ich aus wie ein frisches Kalbsschnitzel in der Metzgerauslage. Pinkeln im Stehen war fortan tabu. Jeden Abend, wenn sie von der Arbeit aus ihrem Friseursalon kam, erwartete sie schon eine kleine Schokopraline und ein Zettelchen mit einer Liebesbotschaft. So schrieb ich unter anderem: „Anita, du mein Sonnenschein, ich liebe dich – sei heute Nacht mein…“ oder „Ich liebe dich, du bist mein Glück, zu keiner anderen will ich je zurück.“ Jeden Tag schenkte ich ihr ein kleines Blumensträußchen. Gut, das konnte ich mir mit meinem Studierenden-BAföG nicht immer leisten, aber neben der Uni befindet sich ja gleich der Stadtpark. Sie musste ja nicht wissen, woher meine Liebesblumen kamen. Zusammen besuchten wir die Museen der Stadt. Die Welt der Gotik, die Zinnsoldaten von Jeremi – ja, sie stachelte meinen Wissensdurst immer mehr an. Theater- und Balletabende folgten in kurzen Abständen. Ich war kurz davor und ich hätte den „Nussknacker“ mittanzen können. Ich genoss es, mein Blut blubberte wie eine Seifenblasenmaschine. Mein gekauftes Buch schien Wunder zu bewirken. Abends beim Fernsehen massierte ich ihre geschundenen Füße. Sendungen wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Mona Lisa“ und der „Bergdoktor“ verfolgten wir engumschlungen auf der mit Bärchen ausgestatteten Couch. Wenn bei mir mal ein Pubs anklopfte, hielt ich tapfer mit einem hochroten Kopf bis zur Werbepause durch – um ihn dann still und heimlich auf dem Balkon in den Abendhimmel schweifen zu lassen. Es fehlte nur noch das der kleine befreiende Wind, die Form eines Herzens annahm. Das Einzige, das bei uns dampfte, war die Liebeskerze neben dem Fernseher. Sie symbolisierte, dass sich zwei Menschen im Einklang mit der göttlichen Liebe gefunden hatten. Was tat ich nicht alles für meine kleine Anita. Ich putzte und bügelte mit einem Hang zur Perfektion ihre Röcke und Blusen. Ich entwickelte ungeahnte Leidenschaften – zum Fensterputzen und Teppichsaugen. Vor dem Liebesspiel legte ich ordentlich meine Schlumpf-Socken zusammen. Ja ich liebte sie, dieses wie aus Feenhand, einmeterdreiundfünfzig gemachtes kleine Wesen. Ich war verzaubert von meinen kleinen Hasen, meinem sanftes Reh, meinem Glückkleeblatt bis zu jenem Tag als sie zu mir sagte:“Emilius ich muss dir leider sagen, dass ich mich von dir trenne. Mich traf es wie einen Asteroiden Einschlag. „Anita“, bitte nicht, wir waren doch jetzt schon 19 Tage glücklich zusammen.
„Anita“ sage mir wenigstens „WARUM“.
Sie antwortete: „ICH WILL EINEN MANN."
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