Die Alkoholisten

Neulich hieß mal wieder »Männerrunde.« Wie aus dem nichts kamen wir auf das Thema Religion zu sprechen. Wir reden nie über Gottesglauben und weltanschauliche Kampagnen. Meist geht es in diesen ergötzlichen Runden über Fußball, Politik oder andere aktuelle Problematiken des Alltags. Ich kenne meinen Freund Armin schon von der Jugend, gleichwohl wusste ich bis zu diesem Abend nicht sicher, welcher Religiongemeinschaft er angehört.
»Bist du katholisch?«
»Ich bin Alkoholist«, war die Antwort. Vorneweg mir ist es völlig schnurz, wer welchen Überzeugungen für gut heißt. Jeder sollte frei nach seiner Fashion leben.
Trotz alledem fand ich Gedanke an die Konfession der Alkoholisten in hohem Grade amüsant.
Sie hätten zumindest eine Glaubensüberzeugung, im Gegenteil zu den Atheisten. Ein Atheist lehnt den Glauben an eine höhere Macht grundsätzlich ab. Ein Alkoholist hingegen ist sprunghaft in seiner Wahrnehmung. Je nach Zustand seines inneren Ichs pendelt er zwischen Sein oder nicht Sein. Kurzum unter Alkoholeinfluss entspannen wir, man wird gelassener und enthemmter. Euphorie macht sich breit. Unsere Reaktionsfähigkeit schwindet allmählich. Dann kommen Gleichgewichtsstörungen hinzu, und wir können uns nicht mehr vorschriftsgemäß artikulieren. Was wiederum die Folge hätte, dass die Predigen der Alkoholisten in einem kurzen Zeitrahmen über die Kanzel gehen müssten. Die Gefahr wäre groß, dass der Seelenhirte nach geraumer Zeit nur das Wort »Freibier«; von seinem Altar lallt. Den Vorteil der Alkoholisten-Gemeinschaft sollte man durchaus nicht in unterschätzen. Die Versammlungsorte hätten mich Sicherheit hohen Zuspruch in der Gesamtbevölkerung und an das Herrenmahl möchte ich gar nicht denken. Auch die Gemeindeaustritte würden Richtung null tendieren.
Alles Phantasie? Klar wir hatten ja schon einen federleichten Dulliäh im Konterfei. Und prompt sind wir beim Thema Alkohol gelandet.
Hand aufs Herz, so ab und an ein diskreter Fetzen im Gesicht ist doch ein wohltuendes Evenement.
Drei Terroranschläge für mich in einem Satz lauten.
»Herr Ober, ich hätte gerne ein kleines alkoholfreies Radler.«
Ich höre schon die Moralisten, die Philister, die Spießbürger nach meinem Abgang in die Hölle rufen.
Ich rede hier nicht über Alkoholismus, den man sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, sondern hinsichtlich des Mehrwertes in der Causa Alkohol sich ab und an einen reinzupfeifen.
An alle die, wo uns Spritnasen verteufeln, sei gesagt, dass die bedeutsamsten Geschöpfe der Menschheit allesamt einem Schlückchen in Ehren nicht abgeneigt waren.
Das u. a. epochale exzeptionelle Werk »Bildnis Dr. Gachet« von Vincent van Gogh malte er unter Einfluss von massivem Alkoholmissbrauches. 

Nehmen wir die Beatles, die Rolling Stones oder andere Musiklegenden. Ohne Alkohol und drastischere Rauschmittel gäbe es kein »Satisfaction«, kein »Yesterday« auch nicht die Queenhymne »Bohemian Rhapsody.«
Und erzähl mir niemand das Mike Krüger seinen Nippel-Song mit Apfelsaft komponierte.
Ein paar Bierchen schalten die Menschen gleich. Ob Manager oder Müllwerker die alkoholisches/geistigen Getränke sorgen dafür, dass wir alle mit einem nackten Steiß auf derselben Schüssel sitzen.
Keiner ist sich im Zustand der erhöhten Lebensfreude zu schade, Schoten zu reißen, die in nüchtern in eine Kalamität stürzen würde.

Beispiel gefällig:
Alkohol macht dumm und gleichgültig. Kapier ich nicht, ist mir aber auch scheißegal!

»Herr Ober, das Steak riecht ja nach Schnaps!«
Tritt der Ober einen Schritt zurück und fragt: »immer noch?«

Er kommt betrunken nach Hause und stellt einen Sessel ins Schlafzimmer.
Sie: »Was soll das?«
Er: »Wenn hier gleich das Theater anfängt, will ich wenigstens in der ersten Reihe sitzen.«

Drei Paradigma der alkoholbedingtem Heiterkeit.

Nehmen wir die Datingwirkung zweier Individuums. Naturgemäß muss man klar dabei zwischen den Levels des Promillewertes unterscheiden.
Ich habe dazu einen Denkansatz entworfen.
Das Hirn ist ein Meisterwerk der Evolution. Aber Millionen von Nervenbahnen arbeiten wie verrückt daran, dass wir uns vom Einzeller distinguieren.
Bei allem Respekt wurde bei der Erforschung der menschlichen Verstandeskraft ein entscheidendes, gravierendes Merkmal übersehen.
Das Gehirn besteht aus verschiedenen Abschnitten, die unterschiedliche Aufgaben haben:
- Großhirn
- Zwischenhirn mit Thalamus, Hypothalamus und Hypophyse
- Hirnstamm mit Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark (Nachhirn)
- Kleinhirn
Kommen wir zu meiner These, es fehlt ein fundamentales Hirnstück!
Der drei Meter lange gekieselte Feldweg (bei manchen Exemplaren, kann sich die Anzahl der Meter verlängern).
Dort liebe Vielleser ist nämlich die ultrakrasse Blödheit zu Hause.
Genau dieser Feldweg spielt beim Thema Alkohol eine essenzielle Rolle.

Führen wir folgendes Szenario vor die Augen. Ein Mann steht in einer Tanzbar, Disko, Club etc. Sein Ziel für den heutigen Abend, eine Dame, sagen wir mal näher kennenzulernen. 

Stufe eins, kurz Entwicklungsstufe genannt. Zustand nüchtern.
Er sondiert die holde Weiblichkeit. Wer würde zu ihm passen. Ganz wichtig in dieser Kausalität, die Erkundung muss in Stufe eins stattfinden. Bereits ihm nächsten Stadium kann es zu einer deutlichen Abnahme der Stringenz kommen.
Lieder wie »All you Need is love« von den Beatles oder ein unbeschwertes Something stupid von Robbie Williams feat..Nicole Kidman schießen ihm durch den Kopf.

Stufe zwei, kurz Vorstoßphase genannt. Zustand leicht bis mittel besäuselt. 
Seine Auserwählte wird mit koketten, flotten Sprüche zur Teilnahme am Balzritual aufgefordert. Schmeicheleien über Aussehen und Anziehung hoffen auf ein Feedback. Langsam macht sich bei ihm das Offenbarungserlebnis breit, dass er sich Hals über Kopf verliebt hat. Vier Gläser später ist sie schon auserkoren die Mutter seiner drei Kinder zu sein.
Lieder wie »My Heart Will Go On« von Celine Dion nageln sich in seinem Zerebrum fest. Er sieht sich mit ihr auf der Reling des Liebesdampfers stehen, um in das Land der Leidenschaft zu reisen. 

Stufe drei, kurz Plastizitätphase genannt.
Es beginnt der alkoholbedingte Marasmus des Geistes und Leibes. Die Begierde nach Körperlichkeit nimmt deutlich zu. Man gibt sich nicht alleine mit schwülstigen Liebesbekundungen zufrieden. Nein, der andere Körper schreit förmlich, »berühre mich.«
Leider erlaubt der Zustand keine Neutralität mehr zu unterscheiden, ob sich dies Verlangen auf Gegenseitigkeit beruft.
Lieder wie »Heute haun wir auf die Pauke«, von Tony Marschall oder den Mallorcaknaller »Sie hat nur noch Schuhe an«, verirren sich im Hippocampus. Die Hemmschwelle befindet sich langsam auf dem Niveau eines Langnasenaffen.

Stufe vier, kurz die Schwellkörperphase genannt.
Wir kommen auf den besagten drei Meter langen gekieselten Feldweg zurück. Auf die Heimat der Blödheit. Die Synapsen, die Neutronen haben sich auf die Wanderung zur totalen Verblödung begeben. Der Penis seht unkontrolliert in der Hose. Selbst ein roter Pavianarsch lässt ein langgestrecktes »geil«; über die Lippen rutschen. Der Geist denkt nur noch an die Weiterverbreitung des eigenen Erbgutes, obwohl der Körper dazu nicht mehr in der Lage ist. 
 Das Liederprogramm ist von seinen einzigen inneren Auftrag verdrängt worden.
»Willste poppen?«
Selbst das Wort poppen komm ihm nur sehr schwer über die Lippen.

Bereits bei »Pop« ergießt sich eine Mischung aus Alkohol und Magensaft über die Angebetete.
Der nächste Morgen ist unerträglich. Beschämt, indigniert stellt der Saufbold fest, dass er sich wieder einmal »voll« unmanierlich benommen hat.
Fazit: Alkoholstufe eins und zwei verfeinern die Biografie ab und an durchaus positiv.
Stufe drei und vier sollte man meiden oder Profis überlassen.
Das nächste Treffen der Alkoholisten findet am Samstagabend ab 19:00 Uhr in der Gaststätte zum Ochsen statt.